Digitale Arbeit istdie Rettung.. Aber nur, wenn wir alle kommenden Ausgänge kritisch wahrnehmen. Heute Jens Winterhoff, Growth Catalyst bei HRForecast und Vater von fünf Kindern (!) teilte seine außergewöhnliche und sehr aufschlussreiche Sicht der Dinge.
Bei der Beurteilung von der Arbeit im Homeoffice möchte ich heute einmal als Bedenkenträger auftreten und drei Aspekte nennen, die mich nachdenklich machen.
1. Kommunikation
Die Basis von Beziehungen ist Kommunikation. Dort wo keine Kommunikation mehr stattfindet, ist eine Beziehung leblos.
Nun hat der Mensch jedoch, neben der Sprache, noch andere Wege der Kommunikation geschaffen, die für das Miteinander und das Verstehen von Sprache notwendig sind. Man kennt dies unter dem Begriff der nonverbalen Kommunikation. Hierzu zählen Gestik, Mimik und Körpersprache. Wir benötigen, um einander richtig zu verstehen, dieses gesamte Bild. Es hilft uns, den anderen besser einzuschätzen und in unserer Beurteilung durch mehr Wahrnehmungen zu einem runderen Ergebnis zu kommen.
Sicher ist das keine Garantie auf Fehlerlosigkeit in unserem Urteilsvermögen, das haben wir im echten Leben alle schon erfahren. Vorurteile in beiden Richtungen (+/-) führten dazu, dass wir unsere Meinung über Personen oder deren Aussagen revidieren mussten. Dennoch glaube ich, dass diese Art der „Ganz-Körper-Kommunikation“ ein wertvolles Gut ist, welches ein wesentlicher Bestandteil der Sozialisierung des Menschen ist.
Bei der digitalen Kommunikation, wie bspw. WhatsApp, wo wir meist nur schreiben, richten falsche oder fehlende Emojis, die eben die Aussagekraft von Buchstaben verstärken sollten (ähnlich Gestik, Mimik, etc.) sehr schnell Verwirrung oder sogar Unheil an. Remote Arbeiten und Webkonferenzen, sei es per Video oder ohne, befinden sich meines Erachtens genau dazwischen. Eine Art hybride Kommunikation, bei der jedoch der klassische Anteil auf ein mehr oder mindergutes Portrait reduziert wird.
Inwiefern diese Veränderungen der Kommunikation, sei es digital oder hybrid, langfristige Folgen für die Menschheit hat, kann ich nicht abschätzen. Meine beschränkte, vielleicht auch getrübte Sicht auf die Entwicklung, sieht jedoch einen Rückschritt im Miteinander, eine Verschlechterung von Kommunikation und dadurch von Beziehungen. Der Mensch, als soziales Wesen, muss hier auf der Hut sein.
2. Isolation
Der Mensch ist ein Herdentier sagt man leicht hin.
Ohne das jetzt zu tief zu betrachten, ist zumindest das Bedürfnis nach Zugehörigkeit nicht wegzuleugnen und sogar für die psychische Konstitution des Menschen elementar wichtig. Unsere Gesellschaft entwickelt sich hierbei jedoch in immer fragilere Strukturen. Das Familienbild, über viele Jahrhunderte entwickelt, zerbröckelt innerhalb von Jahrzehnten und verliert an Wert. Single-Haushalte nehmen rasant zu, Vereinsleben nimmt rasant ab, Kirchen verlieren Herrscher von Mitgliedern und und und. Eine gewisse Konstante war dabei bisher das kollegiale Miteinander in den Firmen. Man war, gezwungenermaßen oder hoffentlich nicht, für ein Drittel seines Lebens ein Teil einer (Büro)-Gemeinschaft. Man traf sich auf dem Flur, in der Kantine, diskutierte in Besprechungsräumen, trank zusammen einen Kaffee am Stehtisch und Personalgespräche fanden von Mensch zu Mensch statt.
Bei dem Arbeiten von zuhause aus, besteht die Gefahr der Isolation. Aufgaben sind so heruntergebrochen, dass alle zu Einzelkämpfern werden können und müssen. Die Abhängigkeit zueinander wird reduziert. Die damit verbundenen Vorteile will ich nicht leugnen, bin aber skeptisch, was das wiederum für einen Einfluss auf unsere Sozialisierung macht.
Ich halte es deshalb für enorm wichtig, diese Gefahr der Isolation ernst zu nehmen. Das diese zuerst in einem Menschen als Gefühl beginnt und gar nicht wahrgenommen werden muss, bevor sie nach außen sichtbar wird, macht es für das Team und die Vorgesetzten nicht einfacher.
Insbesondere dann, wenn Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt werden und unverschuldet akzeptieren müssen, das sie derzeit „nicht gebraucht“ werden, vielleicht sogar Ängste in Bezug auf Jobverlust und Armut haben,
…ist es doppelt wichtig ein Auge auf den anderen zu haben.
Sonst besteht die Gefahr, dass man den Mitarbeiter „verliert“. Die Identifikation mit dem Unternehmen, dem Gemeinsamen, muss aufrecht erhalten werden. Dies liegt in der Verantwortung der Vorgesetzten und der Unternehmensleitung. Wird das unterlassen, wird das oben zitierte Gefühl der Isolation verstärkt und der Mitarbeiter erfährt keine Wertschätzung mehr. Was das für die psychische Gesundheit des Mitarbeiters für Folgen hat und welche Auswirkungen das auf sein Engagement für die Firma nimmt, wenn es wieder losgeht, ist individuell unterschiedlich aber dennoch nicht zu vernachlässigen.
3. Work-Life Balance
Ich mag diesen Begriff nicht. Vielleicht weil ich Ihn falsch verstehe und für mich nie einen Weg gefunden habe, diese Work-Life-Balance zu leben.
Glaubt man den Aussagen auf LinkedIn, haben die Menschen in der Homeoffice Zeit mehr gearbeitet. Effektiver gearbeitet. Ohne das in Frage stellen zu wollen, auch wenn ich eher skeptisch bin in Bezug auf den Wahrheitsgehalt, gibt es Punkte, die ich ansprechen möchte.
Es ist eine gute Sache, eine räumliche Distanz zwischen Arbeit und Privatleben zu haben. Auch das gehört zu einer gesunden Work-Life-Balance dazu. Abstand zu gewinnen.
Nun verfügt aber nicht jeder über ein separates Arbeitszimmer. Insbesondere im Familienumfeld muss sich hier eben in Bezug auf Raum und Umfeld (Lautstärke, Internet, Tagesablauf) arrangiert werden. Eine Herausforderung die ebenfalls stressanfällig ist und mit Folgen behaftet sein kann.
Hinzu kommt, dass jemand, der ohnehin Mühe hat abzuschalten, es ungleich schwerer hat, an dem Firmenlabtop vorbei zu gehen, auf dem Smartphone nicht die Teams Botschaften und Mails zu lesen, wenn längst Feierabend sein sollte. Ein Ruhetag, wie er einmal eingeführt wurde, kann dadurch ebenfalls an Bedeutung verlieren.
Die fehlende Distanz, sei es lokal oder nur im Kopf, verdichtet sich und wird, so meine Befürchtung, die Anzahl der psychischen Erkrankungen (Burn-Out, Depression,…) und die daraus resultierenden körperlichen Folgeschäden, deutlich steigern.
Was wird’s denn nun?
Vermeiden Sie längere Arbeitszeiten, wenn Sie eingesperrt sind
Setzen Sie strenge Grenzen. Minimieren Sie Ablenkungen bei der Arbeit. Konzentrieren Sie sich auf das Positive. Lassen Sie in dieser schwierigen Zeit nicht zu, dass Überlastung Ihr Wohlbefinden gefährdet.
Stellen Sie die Geschäftskontinuität inmitten der Herausforderungen sicher
Stellen Sie einen Krisenstab auf. Teilen Sie die Teamvorkehrungen auf. Gewährleisten Sie die Sicherheit der Mitarbeiter. Erstellen Sie Notfallpläne für kritische Rollen. Organisieren Sie flexible Arbeit. Effektiv kommunizieren.
Seien Sie produktiv
Nur weil Remote-Mitarbeiter mehr als 40 Stunden arbeiten, bedeutet das nicht unbedingt, dass sie in dieser Zeit ihre Produktivität maximieren. Finden Sie die Metrik, die für Ihre Arbeit oder Ihr Team am nützlichsten ist, damit die Prioritäten klar sind.
Bauen Sie gegenseitiges Vertrauen auf
Helfen Sie Ihren unmittelbaren Führungskräften. Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass einige Manager möglicherweise nicht wissen, wie sie ihre Mitarbeiter im Moment unterstützen können. Angesichts des Ausmaßes dieser Krise macht das Sinn. Jetzt ist es an der Zeit, dafür zu sorgen, dass Ihre unmittelbaren Vorgesetzten über die Informationen, Ressourcen, Fähigkeiten und Unterstützung verfügen, die sie brauchen, um ihren direkten Vorgesetzten zu helfen, die für viele sehr angespannte Zeit zu überstehen.
Mit freundlichen Grüßen,
Jens Winterhoff, Growth Catalyst
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