Lernen Sie Henriette Albrecht kennen, eine HR-Führungskraft, die seit >15 Jahren in diesem Bereich tätig ist. Derzeit ist Henriette Albrecht Head of Talent Management and Organizational Development, Employer Branding und Recruiting bei Vitesco Technologies. Außerdem ist Henriette Albrecht verantwortlich für Performance Management, Learning & Development, Employee Engagement sowie Diversity und Inclusion Initiativen. Wir hatten ein aufschlussreiches Gespräch mit Frau Albrecht im Rahmen von ‚Women in HR Leadership‘ und freuen uns, die Ergebnisse in diesem Interview zu teilen.
Ihr Weg zur Führungskraft
F: Frau Albrecht, können Sie uns mehr über Ihren beruflichen Werdegang erzählen? Wie sind Sie dorthin gekommen, wo Sie jetzt sind, und welche Hürden mussten Sie überwinden?
Ich denke, mein Lebenslauf ist nicht der typische Konzern-Karrierepfad, wie sie ihn vielleicht anderswo sehen. Es ist eine Kombination aus sehr unterschiedlichen Erfahrungen, die, wie ich finde, sehr hilfreich für die aufregende geschäftliche Transformation ist, die wir bei Vitesco Technologies derzeit durchlaufen.
Ich habe meine Karriere nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Personal- und Organisationsentwicklung als Human Resource (HR) Consultant bei Kienbaum Management Consultant begonnen. In dieser ersten Position habe ich mehr oder weniger alle Themen des Mitarbeitendenlebenszyklus von A bis Z gelernt.
Im Jahr 2010, nachdem ich acht Jahre lang in verschiedenen HR-Projekten in Europa tätig war, traf ich bewusst die Entscheidung, nach Australien zu gehen, um meine internationale Erfahrung über Europa hinaus zu erweitern. Ich wollte im Ausland leben und arbeiten, um authentische Erfahrungen zu sammeln, aber auch um meine kulturelle Kompetenz zu verbessern und mehr über verschiedene Arbeitsstile zu lernen.
In Australien gab es damals einen großen Mienen-Boom, das war zusätzlich sehr interessant für mich, weil es solche Möglichkeiten in Europa zur dieser Zeit nicht gab. Besonders die Projekte in Australien und auch Singapur haben mir damals sehr geholfen, nicht nur meine Projektmanagement-Fähigkeiten zu stärken, sondern auch die Remote-Leadership-Skills, die nötig waren, wie man sich in einem so großen Land vorstellen kann.
Als ich 2014 nach Europa zurückgekehrt bin, arbeitete ich zwei Jahre lang als selbständige Beraterin und HR Interim Managerin in und aus Luxemburg heraus. Danach begann ich meine Karriere in einem global aufgestellten Unternehmen.
F: Was oder wer hat Ihnen auf Ihrem Weg geholfen und Sie inspiriert?
In meiner Karriere habe ich wirklich viele spannende Projekte und sehr unterschiedliche Kunden und Stakeholder kennengelernt. Was mich am meisten inspiriert hat, waren die Begegnungen, die ich in der Zeit meiner Selbstständigkeit und im Ausland gemacht habe – vor allem mit anderen selbstständigen Experten und Fachleuten. Ich war beeindruckt von ihrer Zielstrebigkeit, ihrer Selbstmotivation und davon, wie sie mit Misserfolgen umgegangen sind. Die Art und Weise, wie sie flexibel blieben, sich neu erfanden und auf ihre eigenen Fähigkeiten vertrauten, hat mich bestärkt. Diese Erfahrung hilft mir auch heute noch in meiner jetzigen Rolle, denn auch bei Vitesco Technologies gehen wir im Moment viele neue Wege und müssen mit vielen Unsicherheiten rechnen. Es ist wichtig, die positiven Aspekte einer solchen Situation zu sehen, um motiviert zu bleiben und weiter zu lernen.
Gender Gap in der HR-Führung
F: In diesem Gespräch möchten wir uns auf das Streben nach mehr Diversity in Führungspositionen konzentrieren, insbesondere auf mehr Frauen in HR-Führungspositionen. Was sind Ihre Beobachtungen zur aktuellen Diversity-Landschaft, insbesondere im HR Bereich?
Glücklicherweise sehe ich hier bei Vitesco Technologies eine Menge weiblicher Talente um mich herum, nicht nur in der Personalabteilung. Wenn man sich jedoch die sehr hochrangigen Positionen anschaut, ist es für mich immer noch überraschend, weniger Frauen an der Spitze zu sehen. Im Vergleich zu anderen Funktionen fehlt uns bspw. eine starke weibliche Talentpipeline bei Ingenieuren, was u.a. den Mangel an weiblichen Führungskräften erklärt.
In HR ist das jedoch generell nicht der Fall. Durch den vergleichweise hohen Frauenanteil im HR-Bereich ist die weibliche Nachfolgepipeline viel stärker als in anderen Funktionen und daher ist es für mich umso überraschender, dass Frauen in der obersten Position unterrepräsentiert sind. Ich denke, dass wir Mechanismen für eine stärkere Unterstützung in den Organisationen brauchen, um dies zu ändern, egal, in welchen Funktionen.
Entwicklung von Vielfalt in Ihrem Unternehmen
F: Apropos fördern: Welche Strategien verfolgen Sie bei Vitesco Technologies zur Entwicklung und Förderung einer diverseren Belegschaft, und wie messen Sie den Erfolg?
Wir sind ein technikgetriebenes Unternehmen. Karrierechancen für Frauen sind in den sogenannten MINT-Fächern attraktiv; dazu gehören Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Da der Frauenanteil in diesen Fächern nach wie vor geringer ist, setzt unser strategischer Ansatz schon viel früher an, bevor Frauen überhaupt mit dem Studium beginnen. Wir versuchen, bereits Schülerinnen anzusprechen und organisieren Veranstaltungen wie den Girls‘ Day, um zu zeigen, wie spannend z.B. Ingenieurdisziplinen sein können. Aus der Employer-Branding-Perspektive ist es für uns essentiell, so früh wie möglich auf SchülerInnen und StudentInnen zuzugehen, um die Vorteile einer Zusammenarbeit mit uns frühzeitig aufzuzeigen.
Wir haben auch eine spezielle Employer-Branding-Kampagne namens Female Pioneers, die wir gezielt in den sozialen Medien einsetzen, um andere Frauen zu inspirieren. Dabei geht es um weibliche Führungskräfte oder andere Female Talents in unserem Unternehmen, die ihre Erfahrung, Begeisterung und Leidenschaft für naturwissenschaftliche, technische und softwarebezogene Berufe teilen. Es ist vergleichbar mit Ihrer ‚Women in HR Leadership‘ Initiative, nur für andere Zielfunktionen.
Gerade haben wir unsere Female Talent Community wieder ins Leben gerufen. Wir haben letzte Woche mit fast 300 weiblichen Talenten weltweit den Startschuss gegeben. Identifiziert werden weibliche Talente während der jährlichen Talentmanagement-Konferenzen. Eine der Entwicklungsmaßnahmen ist die Teilnahme and der Female Talent Community. Sie lebt von der gegenseitigen Unterstützung, der Interaktion der Frauen und deren Input. Die Teilnehmerinnen stärken ihr Netzwerk und das ist es, was letztlich eine starke Dynamik in der Organisation erzeugt. Die Community-Mitglieder profitieren von internen und externen Keynote-Speakern und weiteren Lern- und Entwicklungsmaßnahmen, wie z.B. Mentoring.
Außerdem setzen wir uns Ziele für Frauenanteile in allen Funktionen und auf unterschiedlichen Ebenen und lassen uns daran messen. Dies ist ein fester Bestandteil unserer regelmäßigen Nachfolgeplanung.
F: Welchen Rat würden Sie HR-Experten geben, die versuchen, in ihrem eigenen Unternehmen etwas zu bewegen?
Ich denke, dass Frauen Frauen unterstützen sollten. Jede von uns sollte darauf achten, dass Frauen aus unserem Umfeld angemessene Aufmerksamkeit bekommen. Entweder in offiziellen Programmen, als MentorInnen oder Coaches, oder einfach nur, um sich gegenseitig zuzuhören und authentische Ratschläge zu geben, wenn es nötig ist. Es klingt vielleicht trivial, aber ich denke, Frauen sollten füreinander da sein.
Herausforderungen, die durch die Pandemie verursacht wurden
F: Die durch COVID-19 verursachte Pandemie hatte einen großen Einfluss auf viele Berufstätige und insbesondere auf Frauen, die ihre Führungsrolle mit der Elternrolle kombinieren. Es ist eine Herausforderung, produktiv zu bleiben, voll in den Entscheidungsprozess eingebunden zu sein und Kinder zu erziehen.
Wie hat sich ständiges Homeoffice darauf ausgewirkt? Können Sie ein paar Gedanken dazu äußern, wie Unternehmen berufstätige Mütter in diesem Fall unterstützen können?
Vitesco Technologies hat bereits vor der Pandemie weltweit flexible Arbeitsbedingungen angeboten. Das hat uns geholfen, sehr schnell zu reagieren, als uns die Pandemie erreichte, um uns auf die neue Situation einzustellen, und für viele Mitarbeitenden war das nichts wirklich Neues. Es war eher das Ausmaß der Home-Office-Zeiten, was für viele neu war.
Wir haben Mitte letzten Jahres eine Umfrage durchgeführt, die wir dieses Jahr wiederholen werden. Wir möchten sehen, wie sich die Situation nach fast einem Jahr Pandemie verändert hat. Im letzten Jahr fühlten sich rund 80 % unserer Mitarbeitenden in den Spitzenzeiten der Pandemie gut oder sogar sehr gut zu Hause und konnten sich sehr schnell an die neuen Umstände anpassten.
Das offene Feedback aus dieser Umfrage von Männern und Frauen gleichermaßen, bestätigte einen positiven Effekt auf deren Familien (-zeit). Sie verbrachten mehr Zeit zu Hause, waren präsenter und gewannen Lebensqualität ohne beispielweise lange Pendelwege. Auf der anderen Seite sehen wir natürlich die erhöhten Schwierigkeiten beim Jonglieren mit verdichteten Arbeitszeiten während des Lockdowns und dem Homeschooling. Ich bin voller Bewunderung für alle Eltern, die dieser Doppelbelastung bereits so lange trotzen. Als Unternehmen unterstützen wir die Notwendigkeit, z.B. Arbeitszeiten aufgrund notwendiger familiärer Verpflichtungen, anzupassen.
Da wir sowohl Vor- als auch Nachteile von Homeoffice sehen, wollen wir unsere Mitarbeitenden in Zukunft weiter aktiv bei der bewussten Entscheidung für den Arbeitsplatz unterstützen und haben ein Projektteam zu Thema ‚Balanced Working‘ ins Leben gerufen. Bei Vitesco Technologies glauben wir an ein ausgewogenes Arbeiten, sowohl im Büro als auch zu Hause und wollen das Beste aus beiden Welten zusammenführen. Das Büro verstehen wir als Ort der bewussten Interaktionen und um Teamarbeit und Innovation zu stärken.
Wegbereiter für andere Frauen
F: Zum Schluss möchten wir Sie bitten, ein paar Tipps zu geben: Können Sie umsetzbare Schritte empfehlen, die Frauen im HR-Bereich auf ihrem eigenen Weg zur Führungskraft unternehmen sollten?
Meine Zeit im Ausland war eine wirklich positive Erfahrung und eine große Entwicklung für mich. Ich würde das jedem empfehlen, der sich persönlich und beruflich weiterentwickeln möchte. Es zahlt sich immer aus – für Männer und Frauen gleichermaßen–, wenn man die Verantwortung für die eigene Karriere übernimmt und über entscheidende Schritte selbst entscheidet, anstatt auf ein Angebot zu warten.
Was ich aufgrund meiner eigenen sehr positiven Erfahrungen ebenfalls empfehlen würde, sind Mentoring-Beziehungen. Ich ermutige weibliche Talente in Führungspositionen immer dazu, ihre direkten Vorgesetzten um eine Mentorenempfehlung zu bitten oder sich selber eine zu suchen. Jemanden aus der Führungshierarchie, von dem sie lernen können und Zugang zu neuen und verschiedenen Netzwerken bekommen.
F: Welche Fähigkeiten müssen Frauen aufbauen, um bessere Führungskräfte zu werden?
Frauen SIND sehr gute Führungskräfte! Sie müssen nur an ihre Stärken glauben, natürliche Fähigkeiten wie emotionale Intelligenz nutzen und weniger selbstkritisch sein. Ich empfehle Frauen, regelmäßig um Feedback zu bitten, um eine realistische Selbsteinschätzung zu bekommen und zu pflegen.
Frauen sollten sich selbst treu bleiben und nicht versuchen, das Verhalten von Männern zu kopieren. Stattdessen sollten sie sehr aufmerksame Zuhörer und Beobachter sein, von effektivem Verhalten lernen und es in ihr eigenes Skillset integrieren.
Sie haben mich am Anfang des Interviews nach Hürden gefragt: Ich habe Frauen kennengelernt, die mehr konkurrierten als sich gegenseitig zu unterstützen. Das ist definitiv kein Mehrwert für eine Frau im Business. Stattdessen sollten sich Frauen viel mehr gegenseitig unterstützen. Und ich bin fest davon überzeugt, dass sich das auch für sie selbst auszahlen wird.
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